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BGH, abgedruckt: GesR 2006, 120
Wird im Arzthaftungsprozess der Ersatz von Unterhalt für ein Kind verlangt, weil wegen eines ärztlichen Fehlers ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation unterblieben sei, so erfordert die Prüfung der Voraussetzungen einer solchen Indikation die Prognose, ob aus damaliger Sicht von einer Gefährdung der Mutter im Sinne des § 218 a Abs. 2 StGB auszugehen war und diese Gefahr nicht auf andere, für die Mutter zumutbare Weise hätte abgewendet werden können.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen bedarf es keiner zusätzlichen Abwägung, die an den Grad der (zu erwartenden) Behinderung des Kindes und dessen Entwicklung nach der Geburt anknüpft.
Der VI. Zivilsenat des BGH hatte sich im vorliegenden Fall mit der Frage zu beschäftigen, ob der beklagte Gynäkologe auf Unterhalt für das mit schwersten körperlichen Beeinträchtigungen geborene Kind in Anspruch genommen werden kann.
Der Gynäkologe hatte die Fehlbildungen während der Schwangerschaftsvorsorge nicht erkannt und die Kindeseltern nicht auf weitergehende Diagnosemöglichkeiten zur Abklärung etwaiger Fehlbildungen des Ungeborenen hingewiesen.
Dies hat der BGH, wenn auch nur indirekt, bejaht und damit seine bisherige Auffassung, wie mit Urteil vom 18.06.2002 (Az.: VI ZR 136/01) bestätigt. Danach besteht ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Unterhaltbedarfes, wenn eine pflichtgemäße Aufklärung der Kindeseltern über die Diagnostikmöglichkeiten von kindlichen Fehlbildungen während der Schwangerschaftsvorsorge unterbleibt und somit ein rechtmäßiger Schwangerschaftsabbruch nach § 218 a StGB vereitelt wird.
Bei dem jetzt zu entscheidenden Sachverhalt hat der BGH hervorgehoben, dass an die Darlegungs- und Beweislast der Kindesmutter hinsichtlich der Voraussetzungen der medizinischen Indikation nach Maßgabe von § 218 a Abs. 2 StGB keine überzogene Anforderungen zu stellen sind.
Die bei der Prüfung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu stellende Prognose darf demnach lediglich dahin gehen, ob von einer Gefährdung der Mutter i.S. des § 218 a Abs. 2 BGB auszugehen ist. Des weiteren ist zu prüfen, ob für die Mutter die Gefahr nicht auf andere, für diese zumutbare Weise hätte abgewendet werden können und, ob sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätte.
Einer zusätzlichen Abwägung, die an den Grad der (zu erwartenden) Behinderung des Kindes und dessen Entwicklung nach der Geburt anknüpft, bedarf es hingegen nicht.